Der Glaube
spielt nicht
nur eine Rolle,
der Glaube
bestimmt
meinen Alltag.
Samuel Koch im Interview zu DIE PASSION 2022
Ursprünglich war das Musik-Live-Event zu Ostern 2020 geplant. Aufgrund der Corona-Pandemie musste es zweimal abgesagt werden. Mit welchen Gefühlen blicken Sie dem 13. April jetzt entgegen?
Samuel Koch: Ich habe das Bangen um die Veranstaltung und den Absageprozess mitverfolgen müssen. Und deswegen bin ich froh, dass das Event jetzt endlich stattfindet. Nachdem es von den Produzenten, Komponisten, Arrangeuren und allen Beteiligten nicht nur über Wochen und Monate, sondern über Jahre angedacht wurde, ist es nun zum einen erleichternd und schön, dass es stattfindet, und zum anderen passt es vermutlich jetzt sogar besser in die Zeit.
RTL rechnet mit bis zu sieben Millionen Zuschauern, auch aus einem eher glaubensfernen Publikum. Sind da die Passionsgeschichte, die Stadt Essen als Schauplatz und bekannte Popsongs nicht eine eher ungewöhnliche Mischung?
Samuel Koch: Die Mischung ist vermeintlich ungewöhnlich. Ich finde genau das sehr passend für diesen Kontext und für diese Geschichte: Alles, was vor 2000 Jahren passiert ist, war ebenfalls sehr ungewöhnlich, wenn nicht sogar das Ungewöhnlichste, was je auf dieser Welt passiert ist. RTL will genau diese Botschaft vermitteln und die Zielgruppe erreichen, die die Botschaft schon damals treffen sollte: jeden Menschen. In welcher Stadt das Event spielt, ist dafür nebensächlich. Aber schön, dass Essen die Türen aufmacht.
Welches Potential sehen Sie in einem so großen TV-Event mit Blick auf die Glaubenskommunikation in heutigen Krisenzeiten?
Samuel Koch: Das Potential des TV-Events ist damals wie heute und auch in Zukunft für mich dasselbe. Die damaligen Ereignisse haben nicht nur eine Bewegung, sondern die Bewegung ausgelöst. Eine, die über Jahrhunderte hinweg in allen Generationen aller Gesellschaftsschichten und in allen Ländern Wirkung gezeigt hat – so viel Wirkung, dass Menschen damals wie heute bereit sind, dafür zu sterben, um das zu verteidigen, was Jesus damals unters Volk gebracht hat: Die Tugend der Vergebung, der Versöhnung und die Fähigkeit, Feinde zu lieben. Das ist in diesen Tagen vielleicht schwieriger, aber auch aktueller denn je – in diesem Moment, in dem wir so hautnah mit Krieg und Mord konfrontiert sind. Die gesamte Passionsgeschichte läuft auf Mord hinaus, und es ist nicht nur ein Trost, sondern eine große Hoffnung, dass da jemand ist, der all das durchgemacht und überwunden hat. Jesus sagt stellvertretend: „Ich nehme das auf mich.“ Und setzt unserer Welt etwas entgegen, was auch uns von unserer Boshaftigkeit befreien kann. Das hat somit nicht nur Potenzial, sondern ist Potenzial schlechthin.
Es geht bei der Passionsgeschichte um die Geschichte von Verrat, Leiden und Sterben, aber auch um Hoffnung, Liebe und Vergebung. Wie intensiv wird dieses Medienereignis für die Zuschauerinnen und Zuschauer werden?
Samuel Koch: Es ist den Menschen überlassen, inwiefern sie die Intensität, Tragkraft und Wirkung der Geschichte an sich heranlassen. Die Aufgabe von uns Darstellern ist es, die Geschichte und die Emotionen zu transportieren. Wir geben natürlich unser Bestes. Letztlich liegt es aber beim Zuschauer, so wie es mit der Geschichte immer ist: An manchen geht sie vorbei, manche bezeichnen sie als Massenhalluzination und manche können darin Wahrheiten für sich entdecken. Wenn das Gezeigte auf dem Bildschirm zu sehen ist, dann ist es nicht mehr die Sache der produzierenden Kräfte, sondern derer, die entweder Augen, Ohren und vielleicht sogar ihre Herzen aufmachen oder eben verschließen.
Die Passionsgeschichte ist die größte Geschichte aller Zeiten. Welche Botschaft ist Ihnen besonders wichtig?
Feindesliebe, sie ist dieser Tage wichtiger denn je. Und natürlich die Kraft, Macht und Wucht der Vergebung – eines der stärksten Werkzeuge des Christentums, finde ich. Jesus, der gerade gefoltert und ermordet wird, sagt: „Denn sie wissen nicht, was sie tun.“
Diese schier endlos erscheinende Empathie. Doch es passiert mehr: Der Vorhang zerreißt und wir als Menschen dürfen jetzt Vater sagen. Und wir wissen, dass es jemanden gibt, der den Tod, das schlimmste Leid und die schlimmste Folter überwunden hat. Und dass ab diesem Moment der Tod nicht mehr das Mächtigste ist, was uns alle bestimmt, sondern dass es etwas gibt, was darüber hinausweist, dieses Transzendentale. Es ist schwer zu begreifen, dass es jemanden gab, der das auf sich genommen hat. In diesem Akt des Lebens und Sterbens Jesu ist jedoch das Unmögliche möglich geworden: Nämlich Gnade und Gerechtigkeit zusammenzuführen.
Was macht für Sie den Reiz aus, bei „Die Passion“ mitzuwirken?
Samuel Koch: Die Arbeit unterscheidet sich sehr von anderen Rollen. Sonst bin ich wochen- und monatelang mit der Erarbeitung und Anreicherung von Charakteren beschäftigt. Bei diesem Projekt waren für mich der Charme und der Reiz mitzumachen, dass hier ein Trupp von guten Freunden zusammenkommt. Menschen, die ich sehr schätze und schon vor dem Projekt lieb gewonnen hatte – zum Beispiel den Musikproduzenten. Auch mit denjenigen, die das Arrangement gemacht haben, treffe ich mich regelmäßig. Auch Alexander Klaws oder Mark Keller treffe ich immer mal wieder sehr gerne und natürlich auch meinen guten alten Kumpel Mister Gottschalk.
Welchen Jünger spielen Sie bei „Die Passion“?
Samuel Koch: Das lassen wir offen. Es gibt Indizien, die sich aber in Maßen halten. Im Grunde geht es darum, dass man für möglichst viele Menschen die Identifikation mit den Jüngern abbilden kann. Wir sind einer von vielen, wie damals bei den Jüngern, die aus verschiedenen Regionen und Gesellschaftsschichten kamen. So ist das in der Inszenierung auch angelegt. Wir sind alle aus unterschiedlichen Branchen – aus dem Musical-, Schlager- oder Pop-Bereich. Oder aus dem Moderatorenbereich und der Schauspielerei. Das macht auch den Reiz aus. Petrus und Judas sind jedoch klar identifiziert. Bei den anderen Jüngern kann man erraten oder erahnen, wer welcher sein könnte. Aber da war es uns wichtig, insgesamt ein breites Spektrum an Jüngern darzustellen, um auch zu suggerieren: Jeder kann ein Nachfolger sein.
Besteht eine Schnittmenge zwischen Ihnen und Ihrer Rolle?
Samuel Koch: Das ist schwer zu beantworten. Vielleicht gibt es Schnittmengen in dem Sinne, dass ich die Passionsgeschichte sehr plausibel finde und die eigentlich logische Konsequenz aus ihr ist, dass man so einem epochalen Vorbild wie Jesus nachfolgen sollte. Dass ich da noch die Rolle eines Jesus-Nachfolgers spiele, ist ein zusätzliches Bonbon.
Kirchen werden profaniert und abgerissen. Gläubige treten aus den Kirchen aus. Welche Relevanz hat da noch die Bedeutung des Osterfestes?
Samuel Koch: Für mich eine sehr hohe. Die Bedeutung des Osterfestes ist abgekoppelt von der Institution Kirche. In den vergangenen Wochen sehe ich, wie Zusammenrücken und Versöhnung wieder möglich sind und wir wieder an einem Strang ziehen. Davor war meine Wahrnehmung, dass die Gesellschaft zunehmend gewillt war, sich nur um sich selbst zu drehen: lieber übereinander hetzen als voneinander lernen.
Der Ukraine-Krieg hat dafür gesorgt, dass viele Gemeinden, Kirchen und Institutionen wieder zusammenrücken und merken: „Im Wesentlichen sind wir uns einig, und im Zweifel wollen wir alle Freiheit, Frieden und in allem doch nur Liebe.“ Das wird gerade wiederentdeckt, es gibt kollektive Anteilnahme. Ich befürchte, dass es nur eine temporäre Modeerscheinung ist, aber ich hoffe, dass wir weiterhin für Frieden zusammenstehen und im guten Sinne für die Freiheit kämpfen, dass wir liebevoll miteinander umgehen und nicht übereinander urteilen.
Im Jubiläumsjahr 2017 waren Sie Reformationsbotschafter der Evangelischen Kirche in Deutschland. Welche Rolle spielt der Glaube in Ihrem Leben?
Der Glaube spielt nicht nur eine Rolle, der Glaube bestimmt meinen Alltag. Für mich hat der Glaube in der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft sogar eine lebenserhaltende Funktion.
Das Interview führte Simon Helmers, Bonifatiuswerk.
Foto: RTL – Frank W. Hempel